David Cronenberg gilt als Meister des Horrors besonderer Art. Nun überrascht er mit der Adaption des Bühnenhits „The Talking Cure“, verfasst vom Briten Christopher Hampton, der im Kino durch sein Drehbuch für „Gefährliche Liebschaften“ Ende der 1980er Jahre Weltruhm erlangte, als Regisseur mit „Carrington“ zu Recht viel Beifall erntete. Unter dem spekulativen deutschen Verleihtitel „Eine dunkle Begierde“ ist die Leinwandfassung nun also hierzulande zu bestaunen. Beleuchtet werden Lebensstationen von Sigmund Freund und Carl Gustav Jung, den Vätern der Psychoanalyse.
Illustriert wird im Grunde Banales – nämlich der Satz, dass die Liebe Berge versetzen kann. Das vor dem Ersten Weltkrieg in Zürich und Wien spielende Drama macht’s mit ausgefeilter Schauspielkunst. Die Engländerin Keira Knightley, der Deutsch-Ire Michael Fassbender und der dänisch-US-amerikanische Akteur Viggo Mortensen dürfen ihrem jeweiligen Affen kräftig Zucker geben. Fräulein Knightley übertreibt dabei am Anfang ein bisschen. Sie spielt die Frau, die hinter dem Erfolg der zwei Männer stand: Sabina Spielrein. Zu Beginn der Film-Story ist sie psychisch krank. Knightley zeigt das mit heftigem Grimassieren. Weniger wäre mehr gewesen.
Die auf historischen Tatsachen ruhende Handlung konzentriert sich auf die komplizierte Beziehung der aus Russland stammenden Sabina Spielrein und Carl Gustav Jung (Michael Fassbender). Der Schweizer Psychiater nimmt sie zunächst als Patientin an, dann, obwohl er verheiratet ist, als Geliebte. Sie profitiert emotional und später auch beruflich, studiert Medizin, tritt in die Fußstapfen Jungs. Der ist zunächst nur schockiert über sich selbst. Denn mit der Affäre hat er eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden darf, die zwischen Arzt und Patientin. Verzweifelt wendet sich Jung an den Wiener Kollegen Sigmund Freud (Viggo Mortensen). Der folgende Gedankenaustausch der Beiden legt entscheidende Grundlagen für die Psychoanalyse.
Vorwissen nicht erforderlich. Man muss kein Psycho-Experte sein, um der Geschichte folgen zu können. Die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten ist auch so verständlich. Schauspieler und Regie machen es einem leicht. Einige drastische Sex-Szenen geben Orientierungshilfe. Der Film spiegelt die europäische Geistesgeschichte des vorigen Jahrhunderts auf leicht verdauliche Art. Wirklich in die Tiefe und damit unter die Haut geht er aber nur einmal, ganz am Schluss: Eine Schrifttafel erinnert daran, dass die Jüdin Sabina Spielrein, die Freud und Jung entscheidende Anregungen gegeben hat, 1942 von den Nazis ermordet wurde.
Peter Claus
Eine dunkle Begierde, David Cronenberg (Großbritannien/ Kanada/ Deutschland/ Schweiz 2011)
Bilder: Universal Pictures
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9. November 2011 um 23:19 Uhr
Mehr zu Sabina Spielrein:
http://www.sabinaspielrein.com