Die Piraten? Fast so ähnlich wie Free Jazz
Ihr Profil ist diffus, doch die Berliner haben den Piraten einen klaren Auftrag erteilt: Improvisiert! Spielt mit Leuten im Parlament, deren Sprache ihr nicht sprecht, deren Zahlen ihr nicht kennt, egal. Hauptsache, ihr bringt eine neue Partitur in den Elfenbeinturm Politik, die die Alten dazu zwingt, ihr Repertoire zu überdenken: Wir haben ihren selbstzufriedenen Dilettantismus so satt.
Wer unterscheiden möchte zwischen Dilettanten, Chaoten und Improvisateuren, der kann vom Freejazz etwas lernen. Der hat die Improvisation zur Kunstform erhoben, und die Musiker beschreiben die Voraussetzung für das unerprobte Zusammenspiel als harte Arbeit, die Disziplin und Selbstreflexion erfordert. Du musst dein Instrument beherrschen und begriffen haben, welche Rolle es in diesem Moment, bei diesem Auftritt spielen soll. Gleichzeitig gilt es zu nehmen, was kommt, und etwas Neues daraus zu machen. Spielst du einfach drauflos, endet das Ganze im Chaos. Beherrschen die Piraten also ihr Instrument?
Eher noch nicht. In ihrem Wahlprogramm stehen Sätze wie: „Eine möglichst große und sinnvolle Gewaltenteilung im Staat erachten wir Piraten als absolut notwendig.“ Ach so. Doch wenn man dem Spitzenkandidaten Andreas Baum glauben darf, benennen sie nicht nur die Leerstellen der anderen, sondern gehen auch mit den eigenen Wissenslücken offensiv um. „Wir lernen schnell“, hat er gesagt.
Die Piraten haben in Berlin jetzt die Chance, Wowereit und die Grünen in ihrem Run auf die Mitte herauszufordern. Vielen linksalternativen Wählern ist es ein Graus, dass „ihre“ Parteien aufgehört haben, über Alternativen auch nur nachzudenken. Partybär und Verbraucherschützer müssen sich noch mal und neu mit ihrer Klientel beschäftigen. Das kann Rot-Grün nur guttun.
Ines Kappert in taz, 19.09.2011
Bild: Logo der Piratenpartei Deutschland
CC BY-SA http://wiki.piratenpartei.de/Bild:Logo_weisser_hg_strich.svg
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