Der Auslands-PEN wirft dem Inlands-PEN „Geschichtsfälschung“ vor. Der Verband habe sich 1933 gleichschalten lassen
Das PEN-Zentrum gibt es noch. Es gibt hierzulande sogar zwei davon. Das hat den Vorteil, dass beide miteinander im Streit liegen und auf diese Weise Nachrichten produzieren können, was ihnen ansonsten kaum gelingen würde. Damit weisen sie in regelmäßigen Abständen ihre ansonsten eher ideenarme Existenz nach. Wenn man vom PEN überhaupt jemals etwas hört dann dies: Man streitet sich dort, und zwar grundsätzlich um die eigene Geschichte. Der Ost- und der West-PEN haben sich nach schier endlosen Querelen um die bessere Moral in der Nachwendezeit irgendwann, als es niemanden mehr interessierte, dann doch noch zusammengeschlossen, wie es in einem wiedervereinigten Land ja auch logisch ist. Doch daneben existiert, als Nachfolger des 1934 gegründeten Exil-PEN, immer noch das sogenannte „PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland“, dessen Mitglieder allerdings größtenteils im Inland leben. Politisches Exil gibt es ja streng genommen nicht mehr – sieht man einmal von vereinigungsbedingter Unzufriedenheit bedeutungslos gewordener Dissidenten ab. Und die globale Migrationsära hat unter deutschen Autoren auch nicht gerade eine Massenbewegung ausgelöst – eine den allgemeinen Steuer-, Ruhe- und Landschaftsbedürfnissen geschuldete Irland-Vorliebe einmal ausgenommen. Nun wirft der Auslands-PEN mit seinem in Kaisborstel bei Itzehoe lebenden Präsidenten Günter Kunert dem Inlands-PEN mit seinem Präsidenten Herbert Wiesner „Geschichtsfälschung“ vor, weil es in einer Pressemitteilung anlässlich einer Ausstellung zur eigene Geschichte heißt, der PEN sei 1933 „aufgelöst“ worden. „Schande!“, ruft Kunert. Tatsächlich habe sich der Verband von den Nazis gleichschalten lassen, habe unliebsame Autoren ausgeschlossen und von sich aus den Internationalen PEN verlassen. Nun kann man sicher darüber streiten, ob Gleichschaltung in einer Diktatur freiwillig oder unter Druck verläuft, wie sich Gewalt, Feigheit und Eitelkeiten zueinander verhalten und wie willfährig die handelnden Personen agieren. Gottfried Benn zum Beispiel spielte damals die unrühmlichste Rolle seines Lebens. Die Tatsache, dass der PEN-Club dichtgemacht und durch die „Union nationaler Schriftsteller“ ersetzt wurde als „Auflösung“ zu bezeichnen, ist dennoch nicht falsch und schon gar nicht skandalös. Für die beiden Vereine jedoch, die offenbar keine anderen Geltungsbereiche kennen als sich selbst und ihre traurige Geschichte, könnte dieser Streit um den eigenen Bart auf Jahre hinaus ein neues Aktionsfeld eröffnen.
Jörg Magenau
taz, 25.08.2011
Bild: Gründung der deutschen P.E.N.-Sektion in Göttingen (1948); CC-BY-SA Bundesarchiv, Bild 183-1984-0424-504 / unbekannt
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