Wohnsehnsucht am Ende der Welt
Am Ende der Welt fühlte sich Sean Connery bei den Dreharbeiten zu Diamantenfieber. Der legendäre Kampf zwischen 007 und den Amazonen „Bambi“ und „Klopfer“ wurde in dem Elrod House (1968) inszeniert. Die große Bergvilla ist in den Fels gebaut, aus seiner Poolanlage in luftiger Höhe fließt ein Wasserfall aus dem Haus hinaus förmlich ins Nichts. John Lautners organische Architektur, die Naturelemente und die umliegende Landschaft symbiotisch verbindet, schuf einzigartige Häuser. Das Öffnen der vertrauten räumlichen Grenzen war Lautners Vision.
Der Dokumentarfilm Infinite Space schildert das Leben und Werk von Lautner, der am 16. Juli 100 Jahre alt geworden wäre. Er lernte als schüchterner Student bei Stararchitekt Frank Lloyd Wright. Wie Wright baute er viel in der Natur und mit der Natur. Er kam in den 1930ern nach Los Angeles und empfand hier alles als hässlich. Doch in L.A. fand er die Investoren für seine innovative Architektur und schuf zahlreiche Gebäude mit den schönsten Blickwinkel auf die Pazifik-Metropole.
Viele seiner Häuser wurden zu beliebten und berühmten Filmlocations. A Single Man wurde in der ‚Schaffer Residence‘ (1949) gedreht. In Lethal Weapon 2 reißt der amoklaufenden Cop Martin Riggs (Mel Gibson) die Hangkonstruktion Garcia-House ‚Rainbow‘ am Mulholland Drive nieder. In den Hollywood Hills entstand das Plateau-Haus ‚Chemosphere‘ (1960), das aus der Ferne an ein in den Hügeln gelandetes UFO erinnert. Es wurde zum verführerischen Hauptschauplatz in Brian De Palmas Voyeur-Thriller Der Tod kommt zweimal – Body Double, in dem ein arbeitsloser Schauspieler auf das Lichtermeer blickt und Opfer einer mörderischen Intrige wird. Lautner schuf auch andere „spacige“-Bauten und begründete die ‚Googie‘-Architektur. Diesem Stil entsprang u.a. die Lavalampe und das Cadillac-Retro-Design im Jack-Rabitt-Restaurant in Pulp Fiction.
Besonders beeindruckend ist die ‚Villa Sheats Goldstein Residence‘ (1963), die durch ein markantes dreieckiges Dach besticht und mit den Hügeln „organisch“ verbunden ist. Als klassische Privatvilla konzipiert, repräsentiert sie nicht nur den US-Mittelklasse-Traum vom ultramodernen L.A.-Lifestyle, sondern steckt auch voller architektonischer Besonderheiten. So lassen sich per Knopfdruck ganze Dächer verschieben und Fensterfronten öffnen, so dass man in der Natur sitzt. In The Big Lebowski wird hier der Dude (Jeff Bridges) durch einen White Russian betäubt.
Auf diese filmischen Referenzen verzichtet Infinite Space fast ganz, widmet sich aber u.a. den heutigen Bewohnern. Multimillionär James Goldstein erzählt, wie er mit Lautner immer wieder durch weitere Wasserelemente die „Villa Sheats Goldstein Residence‘ veränderte. Schauspielerin Kelly Lynch versteht sich als „Hüterin“ eines seiner Häuser, die oft verändert wurden, so dass ein anderer Besitzer sein Haus mit aufwendigen Abriss- und Bauarbeiten den Urzustand wiederherstellen musste. Dieser Magie folgte ein Trupp Architekturstudenten, die ein Gebäude besichtigen wollten und zum Übernachten eingeladen wurden – sie fühlten sich vom Haus zum Feiern aufgefordert, was sie, wie launige Schnapsschüsse zeigen, bis in den frühen Morgen taten.
Die Kamera führt durch Lautners Werke. Am Ende der Reise geht es nach Acapulco, wo sein Meisterwerk, das ‚Arango House‘ (1973), hoch über der Stadt schwebt: der Blick aus der breiten Fensterfront bringt Himmel und Meer in Einklang. So entstand ein unendlicher Raum, der Wohnsehnsucht nach seinen Häuserwelten schürt.
© Wolf Jahnke
Bild: John Lautner designed this famous building in 1960. It’s overlooking San Fernando Valley, close to Mulholland Drive (CC BY IK’s World Trip)
Wolf Jahnke ist Autor des Buches ‚Los Angeles – Mit Hollywood durch L.A.‘, das mehr über die Architektur und Filme in Los Angeles verrät.
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