Starke Männer sind im Kino out. Helden ohne Fehl und Tadel? Pustekuchen! Die Kerle haben alle einen Knacks. Doch sind nicht in Wahrheit die Schwachen die Starken? Der kanadisch-italienische Spielfilm „Barneys Version“ legt diese Vermutung jedenfalls nah. Titelfigur Barney Panofsky ist eine Flasche. Ein Säufer. Vor allem ist er ein Miesepeter. Als Produzent dussliger Fernseh-Dutzendware erfolgreich, ist er als Mann eine Niete. Oder ist das Tarnung? Ist Barney in Wahrheit ein eiskalter Mörder? Das jedenfalls behauptet ein Detektiv beharrlich. Nun will er das auch noch in einem Buch über Barneys Leben, Bluttat inklusive, veröffentlichen. Was immerhin einen Erfolg bringt: Barney setzt sich endlich mal hin und versucht eine nüchterne Rückschau. Damals, in den 1970er Jahren wollte Barney Karriere machen. Zusammen mit seinem Kumpel Boogie versuchte er sich in Rom am dolce vita – und am Schreiben. Die Liebe kam dazwischen – mit Ehefrau Nummer eins. Das Glück kam nicht. Mit Gattin Nummer zwei kam es auch nicht, immerhin aber die TV-Karriere in Montreal. Dazu aber gab’s obendrein viel Kuddelmuddel – wofür wiederum eine andere Frau und der spleenige Vater Barneys, ein neurotisch-orthodoxer Jude, sorgten.
Die Adaption des 2001 erschienenen Bestsellers, der in Deutschland „Wie Barney es sieht“ heißt, durchmisst vier Jahrzehnte im Sauseschritt. Himmelhochjauchzend und Zu-Tode-betrübt wechseln sich rasant ab. Der Ton der Erzählung ist meist komödiantisch, scheut aber vor Dramatischem nicht zurück. Damit wird der spritzige Film mehr und mehr zu einem sympathischen Plädoyer für Lebenswege, die sich nicht immer an die Verkehrsregeln halten. Barney erscheint zunächst als Bad Boy: zu viel Sex, zu viel Alkohol, zu viel Flausen. Doch er wächst einem ans Herz. Denn Paul Giamatti spielt ihn als großen Jungen, der nie wirklich erwachsen geworden ist, und der stets von kindlicher Unschuld angetrieben wird, von dem simplen Wunsch, geliebt zu werden. Wer versteht das nicht?! Neben Hauptdarsteller Paul Giamatti brilliert vor allem Dustin Hoffman in der Rolle von Barneys Vater. Der Part ist klein, doch dem Hollywood-Star genügen wenige Momente, um ein facettenreiches Charakterbild zu zeichnen. Da bleibt einem dann manches Lachen im Halse stecken.
Romantisch, dramatisch, komisch – und dabei immer mit Intelligenz punktend – erweist sich die Komödie als Unterhaltungsknüller der anspruchsvollen Art. – Und der Mord? Hat er nun oder hat er nicht? Blut an den Fingern? – Die Lösung dieses Rätsels, vor allem, deren Präsentation, macht diesen im Vorjahr beim Filmfestival in Venedig heftig beklatschten Film, der ansonsten sicher nicht in die Kinogeschichte eingeht, tatsächlich unvergesslich.
Peter Claus
Barney’s Version, Richard J. Lewis (Kanada/Italien 2010)
Bilder: Universal Pictures
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