Ein Spielfilm aus Bulgarien. Allein das macht neugierig. Wann hatten wir das letzte Mal einen Spielfilm aus diesem europäischen Land im Kino? Um es gleich zu sagen: das ist kein Meisterwerk. Trotzdem: Ansehen lohnt. Jedenfalls für alle, die an detailreichen Bildern aus der osteuropäischen Wirklichkeit interessiert sind.
In einer handvoll Episoden wird Alltag in Bulgarien gespiegelt. Zusammengehalten werden sie durch Abholzen und Transport einer großen Fichte, die in Sofia als Weihnachtsbaum aufgestellt werden soll. Der Transport durchs Land bietet reichlich Gelegenheit zum Innehalten.
Eine Geburtstagsfeier, Bahnhofsepisoden, ein Dorffest sind drei der Stationen. Da gibt es keine lauten Effekte, keine Action, keine Krachkomik. Das Hintergründige dominiert. Oft ist man als Zuschauer unsicher, was dokumentarisch eingefangen wurde, was inszeniert. Da zeigt sich wieder mal, dass die Phantasie ein entscheidendes Element in Kunst und Leben ist.
Ganz unspektakulär lädt der Film zum Verweilen in fremden Welten – natürlich mit dem Ziel, über die eigene nachzudenken. Bei sensiblen Zuschauern dürfte das gerade wegen der Kargheit vieler Momente bestens funktionieren. Denn der Film gibt einem ausreichend Zeit und Muße, sich selbst einzubringen. Wer auf Krachbummzisch aus ist, sollte den Film allerdings meiden. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb es fast fünf Jahre gedauert hat, ehe der Film hierzulande in die Kinos kommt. Besser spät als gar nicht.
Peter Claus
Christmas Tree Upside Down, Ivan Cherkelov,Vassil Jivkov (Bulgarien, Deutschland 2006)
Bilder: Arsenal
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