Der letzte Spielfilm aus der Republik Korea, also aus Südkorea, der in deutschen Kinos zu sehen war, war meines Wissens im letzten Sommer der Schocker „Mother“. Der lockte kein großes Publikum an – das Gruselmärchen wirkt einfach zu durchschnittlich.
Nicht zuletzt die diesjährige Berlinale hat’s gezeigt: Der südkoreanische Film boomt. Neu ist dieser Boom nicht. Festival-Erfolge, beispielsweise in Cannes und Locarno, sorgten schon vor etwa zehn Jahren für eine erste Blüte des südkoreanischen Kinos – im eigenen Land und international. Die allerdings verblühte recht schnell. Denn die Filmemacher entwickelten wenig Neues, verfielen in Routine. Gewaltgeladene Schocker dominierten den Markt – und interessierten bald nur noch den überschaubaren Kreis eingefleischter Fans. Der entscheidende Kick kam dann von außen: Japans Film- und Verleihindustrie entdeckte südkoreanische Schauspieler, machte sie zu Stars und sorgte damit für einen erneuten Aufschwung.
Regisseur Kim Ki Duk reüssierte vor rund einem Jahrzehnt mit Filmen wie dem Psychoschocker „Die Insel“. Mit diesem und anderen radikalen Sozialdramen um das Thema Selbstfindung in einer sich wandelnden Gesellschaft stieß er heftige Diskussionen an und gab neue künstlerische Impulse, indem er sich ganz von westlichen Vorbildern löste – und er wurde zum Star. Nachfolgende Regisseure suchen inzwischen eigene Themen und Erzählweisen. Dabei ist durchaus ein thematischer Schwerpunkt auszumachen: Korruption. Womit Hollywood-Muster nicht bedient werden. Die jungen Filmemacher haben eigene ästhetische Vorlieben, geprägt von strenger Ruhe, fern von den genormten Bildern der Traumfabrik. Stattdessen fallen raffinierte Schnitttechniken und ungewöhnliche Kameraperspektiven auf. Die Konflikte einer Gesellschaft zwischen bäuerlicher Tradition und Moderne werden so geschickt reflektiert. Die archaischen Rituale des Gestern treffen immer wieder auf Auswirkungen der kulturellen Globalisierung.
Ein herausragendes Beispiel für die Eigenständigkeit der koreanischen Filmsprache ist der Umgang mit Musik. Wo das Kino der westlichen Welt mit Pauken und Trompeten die Gefühle des Publikums manipulieren will, klingt es im Kino Südkoreas meist hintergründig verhalten. Streichmusik gibt den Ton an. Oft dominiert das Cello, dessen Gefühlsreichtum das Seelenleben der Protagonisten offenbart.
Nun also: „Das Hausmädchen“ von Im Sang-soo, im Vorjahr uraufgeführt im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. Das Remake eines südkoreanischen Dramas aus dem Jahr 1960 („Hanyo“) setzt auf eine klare Inszenierung, ausgefeilte Kameraführung und ein wunderbar agierendes Darstellerensemble.
Der Anfang ist banal: Eun-yi (Jeon Do-youn) bekommt die Stelle des Hausmädchens bei dem Geschäftsmann Hoon (Lee Jung-jae). Die Familie wohnt in einer schicken Villa. Hoons Ehefrau Hae-ra (Seo Woo) ist schwanger, erwartet Zwillinge. Ein Kind gibt es bereits. Die altgediente Haushälterin Mrs. Cho führt ihre Nachfolgerin ein. Eun-yi fühlt sich wohl. Aber sie begeht einen großen Fehler – sie lässt sich vom Hausherrn emotional einfangen, wird dessen Geliebte und schließlich schwanger. Das löst, ganz klar, eine Katastrophe aus.
„Hanyo“, das Original, gilt als Klassiker des asiatischen Films. Spannend: 1960 wurde die Geschichte aus der Sicht des Hausherrn erzählt, jetzt, ein halbes Jahrhundert später, wird die Perspektive der jungen Frau eingenommen. Der soziale Wandel auch in der südkoreanischen Gesellschaft wird dadurch deutlich. Das Knappe ist offenkundig eine Vorliebe von Regisseur Sang-soo. Er walzt nichts aus, erzählt in angenehm ruhigem Fluss. Schade nur, dass er die Kritik an der unmenschlichen Selbstgefälligkeit der Schönen und Reichen mitunter etwas zu oberflächlich ausstellt. Geglückt hingegen: die starken Sexszenen, in denen die Gier und Macht der Herrschenden auf kluge Weise zum Ausdruck kommen, ohne, dass es peinlich wird.
Kleine Warnung: Das Finale dürfte auf manche und manchen schockierend wirken. Es wird drastisch. Dummerweise ist das Leben allerdings meist noch viel drastischer. Der eigentliche Schock: Das, was hier scheinbar sehr überspitzt gezeigt wird, ist ganz banaler Alltag überall da, wo schon Geld ausreicht, um sich über andere Menschen zu erheben, also auch hier um die Ecke.
Peter Claus
Das Hausmädchen, Im Sang-soo (Südkkorea 2010)
Bilder: Alamode Film
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21. April 2011 um 00:08 Uhr
„“Mother“…das Gruselmärchen wirkt einfach zu durchschnittlich.“ Der Verweis auf Hitchcock wäre angebrachter. Joon-ho Bong hatte eigentlich nur überdurchschnittliche Filme gemacht, die sich immer gewissen Konventionen entzogen. Selbst „Hunde, die bellen, beißen nicht“ war verdammt unorthodox und voll mit schwarzem Humor. (Reiner Zufall, dass ich mir die DVD vor 8 Jahren aus HK besorgt; hätte ja keiner Wissen können, was für Potential der Regisseur hat). Das junge koreanische Kino hat bereits mehrere Wellen des Erfolges/Absturzes hinter sich. Leider kommt alle jubel Jahre ne Welle von Filmen dazu, die durch ihr schlechtes Drehbuch bestechen, ihren Pathos und den Hang koreanischer Männer in Actionfilmen relativ schnell zu weinen. „Das Hausmädchen“ ist originell, aber das Finale ist schon sehr schwarzhumorig. Ich denke nicht, dass die Fotoszene nach dem Finale dem heutigen Korea entspricht; es scheint doch satirisch angelegt zu sein. Im Kwon-taek und Lee Chan Dong wären noch zu erwähnen, wenn man vom korean.Programmkino spricht. Und die ganzen kleinen Perlen, wie Christmas in August, Failan,…