Film-Fans werden sich wohlig erinnern: 1993 gehörte die Adaption des Romans „Was vom Tage übrig blieb“ zu den Highlights des Kino-Jahres. Der in England lebende japanische Schriftsteller Kazuo Ishiguro wurde damit auch hierzulande endgültig zum Star. Der damalige Film lebte insbesondere von der Darstellungskunst von Emma Thompson und Anthony Hopkins. Auch die neue Ishiguro-Verfilmung trumpft mit großem Schauspiel auf.
Der Bestseller „Alles was wir geben mussten“ (im Original: „Never Let Me Go“) führt ins England der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Wichtigster Handlungsort ist zunächst das Internat Hailsham. Es wirkt wie eine durchschnittliche Einrichtung dieser Art, die es ja in England viel häufiger gibt als hierzulande. Die Kinder aber, die hier leben, sind keineswegs durchschnittlich. Sie alle sind nämlich Klone, gezüchtete Wesen. Sie sind allein dazu da, anderen, auf natürlichem Weg geborenen Menschen als Organspender zu dienen und so deren Lebenserwartung zu verlängern. Drei solcher mit ihrer Geburt todgeweihten Klon-Kinder stehen im Zentrum der Erzählung. Früh ist klar: Keiner von ihnen wird älter als Mitte 20 werden.
Nächste Station des Trios ist ein Bauernhof. Kathy (Carey Mulligan), Ruth (Keira Knightley) und Tom (Andrew Garfield), nun um die 20, verfangen sich in einem komplizierten Netz aus Liebe und Verrat. Eine Zeit lang sieht es so aus, als könnten zwei von ihnen ihrem vorbestimmten grausamen Schicksal entgehen. Die Frage, ob sie es schaffen, gibt dem elegischen Film über weite Strecken eine kräftige Krimiatmosphäre.
Regisseur Mark Romanek inszenierte diese Geschichte sehr stilvoll als Kammerspiel. Bisher wurde der US-Amerikaner vor allem durch Musik-Videos, zum Beispiel für Johnny Cash und Michael Jackson, bekannt. In seinem erst dritten Spielfilm erweist er sich als subtiler Erzähler. Visuell liebt er es augenscheinlich opulent. Doch die Gestaltung überlagert nie das Eigentliche, das Geschehen. Die Spannung erwächst gerade daraus, dass es keinerlei billige Horroreffekte gibt. Das Böse haust im Gewöhnlichen. Der zugleich von Sachlichkeit und Gefühl geprägte Erzählton der Vorlage wird im Film erstaunlich gut getroffen. Schauspielerisch gibt’s erste Sahne: Carey Mulligan und Andrew Garfield, die führen das Ensemble an, zu dem auch Charlotte Rampling gehört. Die von Carey Mulligan einprägsam verkörperte Kathy wird als Erzählerin zur Zentralgestalt. Der 25-jährigen britischen Schauspielerin gelingt es mit geringstem Aufwand die Seele der verkörperten Figur erstrahlen zu lassen. Das ist makellos, aber wirkt nie ausgedacht, abgezirkelt, sondern so, als empfände die Darstellerin wirklich, was sie spielt. Sie ist das Ereignis dieses Films!
Text: Peter Claus
Alles was wir geben mussten, Mark Romanek (USA / England 2010)
Bilder: Fox
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