Du sollst dir ein Bild von der Welt machen
Die Berliner Galerie Aurel Scheibler stellt mal wieder Öyvind Fahlström aus
Politik, so hatte es ein Berater Helmut Kohls einmal formuliert, ist die Kunst der intelligenten Wiederholung. Nach dieser Maxime scheint Aurel Scheibler auch seine Galeriearbeit auszurichten. Sonst würde er zum zwanzigjährigen Jubiläum seiner Galerie nicht wieder Öyvind Fahlström ausstellen; so, wie schon 1991 und 2001, als Scheibler noch in Köln für die Avantgarde trommelte. Im Sinne seines Künstlers ist das jedenfalls. Auch Fahlström war nie müde geworden, sein Mantra zu wiederholen, das da lautete: Der Künstler soll sich ein Bild von der Welt machen. Und: Kunst soll politisch sein.
Das klingt nach Agitation und Propaganda. Und in gewisser Hinsicht sind das die Weltkarten des 1928 geborenen Künstlers, der nach seinem Studium in Stockholm in Paris und New York wirkte, auch. Denn von Lyndon B. Johnson, Richard Nixon, Salvador Allende und Papst Paul VI. sind darauf alle politischen Reizfiguren und Reizthemen der sechziger und siebziger Jahre versammelt. 1974 entwickelte er sogar ein lustiges kleines Brettspiel mit dem schönen Namen „Kidnapping Kissinger“. Gleichzeitig ist diese geopolitische Kartographie von Waffenhandel und Umweltverschmutzung ein raffiniertes ästhetisches Unterfangen. So wie hier Fahlström die komplexitätsreduzierende Bildsprache des Comic mit der gestischen Bildidee des Informel verbindet, ist seine Kunst eine einzigartige Kombination aus High und Low. Und eine Begegnung von Politik und Poesie, die die „Mappings“, die derzeit die Biennalen der Welt dominieren, zur drögen Pseudosoziologie verblassen lässt.
Fahlström war ein Kind des rebellischen Geistes der sechziger Jahre, der immer beides im Auge hatte: Politik und Kunst. Sprache war für ihn ein natürlicher Bestandteil von Kunst. 1953 definiert er sie in seinem „Manifesto“ für konkrete Poesie als Spiel-Material, dessen sich der Künstler bedienen könne. Und deswegen sind viele seiner Arbeiten eben auch mit Sprache überzogen, die er meist in Comic-Blasen ähnelnden Farbfeldern, eingrenzt. 1972 verfasste er sein S.O.M.B.A-Manifest für eine „Gesellschaft der Zukunft“. Bei deren leitenden „Annahmen“ wie „Arbeit“, „Gleichheit“, „Freiheit“, „Dezentralisieren“ und „Balance“ ließ er sich von Ideen des marxistisch inspirierten amerikanischen Nationalökonomen Paul Sweezy inspirieren – einem weltweit gelesenen, akademischen „Opinion Leader“ der Neuen Linken der siebziger Jahre.
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Fahlströhm zog Multiples und Editionen Originalen vor und liebte die Idee des beweglichen Bildes. Bei Scheibler lassen sich auf zwei kleinen, selten gezeigten Installation mit dem beziehungsreichen Titel „White House“ und „Black House“ von 1968 mit Magneten aufsitzende Utensilien: eine kleine Banane, ein Che-Guevara-Kopf oder ein Penis verrücken. Und auf einer Pool-Installationen kann man die auf dem Wasser treibenden Gliederpuppen der globalen Mächte, die immer einer bestimmten Farbenlehre folgen, in eine andere Richtung pusten: Blau steht für die USA, grün für die „Dritte Welt“, gelb für die kommunistischen Staaten, violett für Europa. Ein Beispiel dafür, welche Anziehungskraft dieser Mann immer noch entwickelt, ist der schwedische Kurator Daniel Birnbaum. Der jetzige Chef des Moderna Museet in Stockholm widmete Fahlström auf seiner „Welten machen“-Biennale in Venedig 2009 einen ganz Raum. Der Hamburger Sammlermillionär Harald Falckenberg setzt schon seit Jahren auf Fahlström. 1976 starb Fahlström, kaum 48 Jahre alt, in Stockholm an Krebs.
Der binäre Code vom USA=Kapitalismus=Faschismus, der Fahlströms Werk durchzieht, kommt einem angesichts einer Weltmacht von Chinas finanziellen Gnaden heute überholt vor. Wie wenig das Werk dieses humorvollen Klassikers der politischen Kunst aber bloß ein Museumsstück ist, zeigt seine Installation „Garden – A World Model“ aus dem Jahr 1973. Sie lassen sich als Blumen des Bösen verstehen. Aus fünfzehn Blumentöpfen wachsen da schlingpflanzenartige Gebilde aus Papier, auf denen das ganze Elend der damaligen Zeit in einer an den Cartoonisten Robert Crumb erinnernden Krakelschrift aufgezeichnet ist: Die Ausplünderung der globalen Ressourcen durch die USA, die Explosion der Umweltverschmutzung, der Druck auf die Entwicklungsländer die ihnen gewährte Entwicklungshilfe wieder auf amerikanische Waren zu verwenden. Sie lässt sich aber auch als Flower-Power einer nachhaltigen Utopie goutieren. Fahlströms Idee einer „global cooperation, on a non profit, people-first basis for all“, wie es auf einer Blüte steht, kann man jedenfalls heute noch getrost unterschreiben.
Text: Ingo Arend
Ausstellung
bis 21. April 2011, Galerie Aurel Scheibler, ScheiblerMitte, Charlottenstr. 2, 10969 Berlin
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19. Mai 2011 um 10:40 Uhr
Reference to Fahlström__________great stuff. L.B.