Das Kino stirbt. Es hat uns viele Tode zu bieten. Einer davon ist ein scheinbares Weiterleben in Produkten wie diesem. Der amerikanische Kinoimperialismus beschert uns seit geraumer Zeit eine Ware, der man nicht mehr die Ehre antun kann, sie als den gewohnten reaktionären Teil der Unterhaltungsindustrie zu deuten. Es ist vielmehr die reine, unverhohlene, kriegshetzerische, rassistische und bei alledem strohdumme aber mythisch reibungsfreie Propaganda. Bewunderung muss uns das schon abringen, denn der amerikanischen Kinomaschine ist es endlich gelungen, mit hässlichen Filmen weltweite Propaganda für eine häßliche Politik zu verbreiten und sich dafür auch noch bezahlen zu lassen.
Die Methode dafür ist die Verbindung zweier Diskurse zu einem ästhetischen Brei: dem Diskurs der Jugendlichkeit mit seiner Musik, seinen Bestätigungsritualen, seinen Versagungsängsten einerseits und dem Diskurs der strahlenden Rüstung, des Krieges als technischem Spiel, der gepanzerten Männlichkeit andererseits. Die letzten, die noch ins Kino gehen, die Kids, werden von der letzten Instanz, der noch am Leben des Kinos gelegen ist, der Rüstungsindustrie, mit heißem Stoff versorgt.
Es gibt in diesem Film eine Geschichte in Bildern, die nur ein Spezialist für psychologische Kriegsführung im Pentagon oder sonstwo ersonnen haben kann: Ein typischer amerikanischer Junge, flug-, computer- und rockbegeistert, trifft sein Mädchen; das wird vom Rivalen angemacht, was zum üblichen Duell führt, diesmal zwischen Flugzeug und Motorrad in der Steinwüste. Was hier noch anmutet wie übliches Outdoor-Pubertätskino ist indes längst schon rettungslos an den propagandistischen Diskurs verraten. Das ganze spielt nämlich auf einer Militärbasis, deren kriegerisches Alltagsritual bis in die kleinste Geste der Helden Verpflichtung signalisiert. Und scheint der Held auch hie und da dagegen zu rebellieren, so erweist sich doch bald, dass die Revolte nicht weniger, sondern mehr kriegerisches Verhalten fordert. Man erfährt, dass Doug, der jugendliche Held, nicht an der Militärakademie angenommen wurde. Warum? Weil er zu viel Zeit im Flugsimulator verbracht hat, der wie ein gewaltiges Videospiel wirkt, und in dem er seine Treffergenauigkeit durch eine volle Rock-Dröhnung aus dem Cassettenrecorder erhöht.
Dann kommt die Nachricht, dass der Vater über der unrechtmäßig erweiterten Lufthoheits-Zone eines ungenannten arabischen Staates vom Feind abgeschossen wurde und nun dort im Gefängnis, wo man ihn zwischendurch immer mal foltert, auf Vollstreckung seines Todesurteils wartet. Tapfer natürlich. Die Politiker sind wieder einmal machtlos; die hohen Militärs tun was sie können, scheitern aber an der Politik. Auf der anderen Seite erfreuen wir uns an Dialogen, die verkünden, daß die Zeit von „Schlaffi“ Carter vorbei sei und nun Sheriff Reagan regiere, der den verdammten Kerlen da drüben ihre Beleidigungen „in den Arsch schieben“ werde (Beifall im Publikum).
Der Held klagt an, dass man seinen Vater nicht rette, den wir in einer Rückblende als typisch streng aber gerecht erleben. Der Handlungsreisende ist nicht gestorben. Er ist Soldat geworden und hat sich und seine Familie vorerst gerettet. Sein Erfolgstraum ist eine Maschine geworden, die Bomben werfen kann. Nun muss der Sohn zeigen, dass er genau dort weitermachen wird, wo schon der Vater nichts gelernt hat. Das wird zur Stunde für den braven Nigger in Gestalt von Louis Gossett jr.; Onkel Tom im Jagdbomber fliegt gegen die neuen Nigger dieser Welt, gegen alles, was nicht amerikanisch ist. Mit ihm zusammen bereitet Doug ein Unternehmen zur Rettung seines Vaters vor. Mit Hilfe der Freunde vom Flugclub werden Computer und Flugerlaubnis manipuliert, und mit zwei bis an die Zähne oder sonstwas bewaffneten Kampfflugzeugen fliegen die beiden ins Feindesland, wo eine Menge Migs abzuschießen, eine Menge Flaks zu zerbomben, eine Menge muslimischer Untermenschen ins Jenseits zu befördern sind. Der brave Nigger scheint dabei draufzugehen (taucht aber später wundersam wieder auf), der Vater kriegt was ab, wird aber oben in den Lüften doch wieder zur alten Autorität. (Freud selber, erzählt man sich, hat am Anfang diesen gerontokratischen Anti-Ödipus beschrieben, bevor er selbst Furcht bekam, aber so deutlich hat er’s natürlich nicht gezeigt bekommen, wie der Krieg ein Vater sein kann, in den der Sohn so hoffnungslos verliebt ist.) Und natürlich muss im Luftshowdown der junge Held den schurkischsten aller schurkischen Ölterroristen bezwingen (nebenbei hakt Hollywood hier das Thema Omar Sharif endgültig ab). Als alles schon verloren scheint, kommt die Kavallerie, genauer gesagt die amerikanische Kampfflugzeugstaffel Soundso. Ein einfaches „Wollt Ihr Euch mit uns anlegen“ über Funk genügt, und fort sind die Mig-gerüsteten Wüstenhundesöhne (Beifall im Publikum). Statt bestraft zu werden, wird der Held natürlich in die Militärakademie aufgenommen, denn man hat eingesehen, daß es in der amerikanischen Armee nicht auf Klugheit ankommt, sondern auf die Fähigkeit, möglichst präzise viele feindliche Sachen und Menschen kaputtzumachen.
In diesen Wahnwitz verwoben sind rauschhafte, musikalisch pathetisierte Bilder von Flugzeugen über den Wolken, wo die Freiheit einigermaßen grenzenlos ist. Nach dem Rock’n’Roll- und Drogen-Krieg von Vietnam wohnen wir nun der Projektion eines Rock-, Drogen-und Videogamekrieges bei, der gar keinen anderen Anlaß mehr braucht als die Realisation von Spielen, die man als Lebenskrücken braucht. Gelernt hat man offensichtlich nur, daß man sich besser nicht mehr in den Dschungel begibt, sondern in der vergleichsweise sicheren Luft bleibt, wo keine unsaubere „Natur“ die eigene technologische Überlegenheit in Frage stellt. In DER STÄHLERNE ADLER stecken auch zwei Vater/Sohn-Geschichten, die möglicherweise so uramerikanisch sind, daß wir die weitere propagandistische Dimension darin übersehen. Nichtsdestoweniger heizen sie den kriegshetzerischen Diskurs um soviel Sentimentalität auf, wie die präfaschistische Kriegspropaganda aus den Defekten ihrer Adressaten die Impulse zur Militarisierung des Lebens schuf. Diese nachgeschobene Legitimation für einen Aggressionsakt, der in den „hässlichen“ amerikanischen C-Filmen ganz bös und ungeschminkt gezeigt wird, nämlich die Ersetzung der Spielfiguren durch real life persons, macht es für einen jugendlichen Zuschauer, der auch in Europa seinen Ödipus noch mit ins Kino zerrt, fast unmöglich, sich der Argumentationskette zu entziehen: Der Krieg (oder Ersatzkrieg) ist die einzige Möglichkeit, sich mit dem strengen und fern fliegenden Vater zu versöhnen, es ihm möglicherweise sogar gleichzutun.
Da ist noch etwas anderes. Als Woody Strode in John Fords SERGEANT RUTLEDGE über die Hügel geritten kommen durfte, da konnte er vielleicht stolz darauf sein, „die ganze schwarze Rasse über diesen Fluß getragen“ zu haben. Die Armee war die einzige würdevolle Heimat für die Schwarzen, hat man gesagt. Nicht nur, weil in DER STÄHLERNE ADLER auf die „Buffalo Soldiers“ direkt Bezug genommen wird, ist Louis Gossett jr. der Nachfahr dieses Woody Strode. In der boy-hero-Beziehung ist er zugleich der Nachfahr von Nigger Jim. Zusammen mit Huckleberry Finn hatte er auf dem großen Strom die Freiheit gesucht und gefunden. Nun sind Huck Finn und Nigger Jim wieder unterwegs, in stählernen Adlern; die Freiheit war die Freiheit der anderen. Sie mußten ein neues Ziel finden. Sie sind Faschisten geworden.
DER STÄHLERNE ADLER war, well die Wirklichkeit die Propaganda um einen Kick zu schnell eingeholt hatte, nach dem„ Schlag“ der USA gegen Libyen vom Verleih kurz zurückgezogen worden. Es ist aber nur einer von vielen Filmen einer gemeinsamen Strategie (und gemeinsamen ökonomischen Hintergrunds), und vielleicht nur deshalb um eine Spur perfekter, weil der Kanadier Sidney J. Furie einmal ganz andere (häßliche) Filme zu drehen wusste. Im Kinocenter waren allein drei weitere Filme dieser Machart angekündigt, und immerhin von einem weiß ich, per Vorschau, dass er sich exakt derselben Argumentation bedient.
Die alten, reaktionären Kriegsfilme erzählen von Helden, die man auch im Frieden nicht vergessen, und als Väter ehren soll. Diese Filme dagegen erzählen von Jugendlichen, die getrost mit ihrer ganzen Kultur, den Comics, der Rock-Musik, den VideoGames, den Sportritualen, den Drogen, den Blue Jeans, den Sonnenbrillen, der Unsicherheit, den langen Haaren, dem kleinen Ungehorsam in den großen Krieg abdüsen sollen. Irgendein Vater ist schon da.
Im Kinofoyer wachsen keine Apfelbäumchen. Aber es ist an der Zeit, wenigstens zu erkennen, dass das Kino nicht wert ist, zu überleben, wenn es das nur als Avantgarde amerikanischer Kriegspropaganda tut. Eine Kritik, die vor Bewunderung für ein paar eigensinnige und wohltuende Genies vergißt, eine Waffe gegen diese geballte, auf den jugendlichen Markt zielende Rüstungsästhetik zu liefern, will ich nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Eine Kinokultur, die die amerikanische „handwerkliche Überlegenheit“ als einzige mögliche Leitlinie der Filmsprache sieht, will ich nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Und nicht mehr zur Kenntnis nehmen will ich auch die Entscheidung einer FSK, die Gewalttaten zählt, nur das Schreckliche des Bösen sieht und nicht dessen Banalität, und die schließlich nur ein paar falsche neue Worte über die schrecklich banale erotische Prüderie deckt, die dieser Film so wunderbar beschwört, dass die Frauen hinter alles fallen, was Emanzipation je erreichen konnte. Nur: Sexual-Objekte, das sind sie in der Tat nicht. Dazu haben die Männer ja ihre Waffensysteme. Die FSK hat diese unmissverständliche Kriegspropaganda ab 16 Jahren freigegeben, und von irgendwelchen Protesten woher auch immer ist mir nichts bekannt.
Autor: Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in epd Film 8/86
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