Franz Müllers Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien Köln
Manchmal freut man sich, einen kleinen deutschen Film zu sehen, der mit seinen Mitteln einfach einen hübschen Einfall verwirklicht. Dieser hier geht so: Es ist eines dieser üblen Seminare, in denen die Verlierer des Neoliberalismus für einen letzten Anlauf auf dem brutalisierten Arbeitsmarkt fit gemacht werden sollen. Der Seminarleiter fühlt sich tough, ist aber vor allem schnöselig. Er quält vorzugsweise einen seiner Probanden, einen fülligen Naivling, der sich aber auch wirklich zu dumm anstellt. Er hat wohl den großen falschen Traum nach der deutschen Vereinigung, vom freien Unternehmertum im Mittelstand, so schnell ausgeträumt, dass er nicht mal weiß, wie man ordentlich selbstbewusst zu einer Tür hereinkommt. Die Tür, das ist dann auch der Trick der Erzählung: Einmal geht der Seminarleiter entnervt mit seinem unfähigen Schüler hinaus, um ihm das fachgerechte Betreten eines deutschen Wirtschaftsraums vorzumachen. Aber als er die Tür wieder öffnet, hat sich darin die Situation verändert. Jetzt mühen sich dort Menschen mit Problemen der Aktstudie statt mit den Finessen des Bewerbungsgesprächs ab. Irgendwas ist passiert. Die Welt ist aus dem Lot. Die Polizei hält die Männer für Spinner, in seinem Haus findet der Gutmütige fremde Menschen vor, während der Fiese nach Kräften die Situation nutzt, um seine Umwelt zu schikanieren und auszubeuten. Das Tollste an der Sache nämlich ist: Jedes Mal, wenn sich zwischen ihnen eine Tür schließt, haben die Menschen, denen die beiden begegnen, sie wieder total vergessen. Damit kann man ziemlich komische und ziemlich hässliche Dinge anstellen. Der eine demonstriert damit seinen Zynismus, der andere will nur wieder heraus aus dieser absurden Situation, in der es nicht mehr gelingen kann, irgendeine Beziehung aufzubauen. Von der Liebe ganz zu schweigen. Die wird denn auch entsprechend zum Problem – und zur Erlösung.
Der auf HDV-Material gedrehte Film funktioniert schnell und direkt. So kann man gelegentlich die Grenzen zwischen Improvisation und Partitur-Spielen überschreiten, mal einen Abstecher ins Guerilla Shooting unternehmen, spontane Stimmungen ausnutzen und den Schauspielern Raum schaffen. In so einer Atmosphäre können sie ihre Charaktere entwickeln, ohne zu den Mitteln der Karikatur zu greifen, und die Kamera kann so spontan ihre Perspektiven suchen, dass man sie gelegentlich beim Spielen und beim Zusehen vergessen kann. Man macht das Spiel gerne mit, freut sich an seinen Wendungen und seinen Lösungen. What You See is What You Get.
So weit, so vergnüglich ist das Ganze. Aber auf der anderen Seite wirkt Science Fiction auch wie eine Videoskizze zu einem Hollywood-Film der Und täglich grüsst das Murmeltier-Art. Was nicht nur ein leicht übertriebenes Feelgood-Ende zur Folge hat, sondern auch eine Selbstbeschränkung bei der Wahrnehmung der Wirklichkeit, aus der die Grundsituation entstanden ist. Man träumt sich vielleicht ein bisschen allzu flott von der satirischen Schärfe zum Allgemein-Menschlichen, lässt den Fiesen und den Naiven zu einfach zu Buddys werden. Nicht, dass es nicht zwischendrin hübsch komische Szenen gäbe (der Hotelmanager, der auf eine zersägte Zimmertür reagiert). Aber manchmal werden eben auch Möglichkeiten verschenkt, den phantastischen Trick des Plots zu größerer Genauigkeit zu gebrauchen. Ein bisschen böser dürfte ein deutscher Film schon sein, derzeit.
Was soll’s. Man wird sich doch einmal in einem deutschen Film gut unterhalten dürfen! Und Science Fiction (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kinderfilm von Denis Depres) beweist wieder einmal, dass man das am besten in den kleinen und schnellen Produktionen tut, die mehr vom Spaß am Filmemachen als von der Anstrengung geprägt sind, „großes Kino“ zu spielen.
Eine HDV-Produktion um einen typischen Fantasy/Comedy-Einfall: Zwei grundverschiedene Charaktere bewegen sich durch eine Welt, die sie und ihre Taten bei jedem Türenschlag wieder vergisst. Statt zur bösen Gesellschaftssatire führt das zu frischem deutschen Gutfühlkino mit wenig Risiken und Nebenwirkungen.
Autor: Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in epd film
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