Das ist einer von den Filmen, über die man entweder ziemlich wenig oder sehr viel sagen muss. Ziemlich wenig, was die cineastischen Qualitäten anbelangt: ein paar hübsche Montage-Einfälle, aber auch ein paar reichlich vermurkste Anschlüsse; eine Dramaturgie, die in einzelnen Segmenten der Handlung klappt, aber den großen Bogen nicht hinbekommt; Schauspieler, die immer ein bisschen zum Überspielen neigen, weil ihnen der Regisseur offensichtlich nicht sagen konnte, wieviel Realismus, Parodie oder B-Movie-Heroismus er eigentlich anstrebte; Special Effects, die ihr Maß nicht finden – das eine Mal sind sie ganz in Ordnung, das andere Mal wäre an die goldene Regel zu erinnern, dass es besser ist, auf Spezialeffekte zu verzichten, als sie schlecht und billig zu machen (es sei denn, man mache sich mit schlechten und billigen Spezialeffekten einen Scherz); eine Architektur, die immer glaubhaft sein will, und trotzdem zum Parodistischen verurteilt ist. Und so weiter. Einer jener SF-Actionfilme, die nicht wirklich gut und nicht wirklich schlecht sind, Plünderkino, das sich aus den berühmten Vorbildern bedenkenlos bedient, aber seiner eigenen Plünderungsästhetik ziemlich ratlos gegenübersteht.
Ziemlich viel indes müsste gesagt werden über die seltsamen politischen, philosophischen und psychologischen Diskurs-Fragmente, die in einem Film spuken, der weder die mythologische Geschlossenheit der TERMINATOR-Serie, noch den kalten, schwarzen Zynismus des ersten ROBOCOP-Films von Paul Verhoeven erreicht, aber vielleicht gerade in seiner Unbeholfenheit, in seinem Taumeln zwischen Naivität und Selbstreflexion Aufschluss gibt über den Stand der Dinge in der Zivilisationsgeschichte.
Bevor also die erste Doktorarbeit über die ROBOCOP-Serie erscheint, nur ein kleiner Zwischenbescheid. Die Geschichte, sie wurde von Frank Miller verfasst, einem durchaus kompetenten und gelegentlich vom Hauch der Genialität gestreiften Autor von Comic-Szenarios (wir erinnern uns daran, daß er „Batman“ neuen Glanz verlieh), beginnt damit, daß ein japanischer Konzern Detroit aufkaufen will, um dort das übliche Konsumparadies zu eröffnen. Eine sinistre paramilitärische Truppe unter einem skrupellosen und machthungrigen Führer, der direkt mit den Japanern arbeitet, wird eingesetzt. um die Menschen, die dort leben – sie leben schlecht dort, aber sie leben immerhin – zu evakuieren.
Japaner sind die Bösen dieses Films, aber Japanerin (vermutlich) ist auch die Mutter der kleinen Heldin. Diese wird von ihren Eltern getrennt, und später, als der defekte und dann reparierte Robocop sie so sanft im Schoß hat, erfahren wir, daß auch sie getötet wurde. Sie ist ein Computer-Kid und schafft es immer wieder, durch ihr Können dem Geschehen eine eigene Wendung zu geben. Schwarz ist einer der Hauptschurken des Stückes, aber schwarz ist auch jener aufrechte Polizist, der sich mit seinen Männern gegen den Terror wendet. Es gibt eine gute Widerstandsgruppe, angeführt von einer schwarzen Frau, und es gibt eine böse Widerstandsgruppe, Punks, Riot Girls, Abschaum. Am Ende bewaffnen die bösen Militaristen die bösen Punks; nur der mittlerweile gar flugfähige Robocop kann verhindern, dass ein entsetzliches Massaker unter der Zivilbevölkerung angerichtet wird.
Die Story? Also ein Robocop, jener aus Mensch und Maschine zusammengesetzte Mechanismus zur Bekämpfung des Bösen soll im Dienste dieser japanisch- superkapitalistischen Invasion zur Waffe gegen die Menschen werden, die sich ihr Zuhause nicht rauben lassen wollen; zu diesem Zweck soll seine„ Menschlichkeit“ abgeschaltet werden, aber nachdem eine Wissenschaftlerin sich verweigert und eine Polizistin neben ihr gestorben ist, schließt er sich, einigermaßen defekt, den Rebellen an. Er muss noch eine Art Samurai-Cyborg aus Japan besiegen, bevor er der Retter aller Einwohner von Detroit wird. Aber dabei ist er auch so etwas wie eine mythische Verlängerung des kleinen Mädchens, der Nachfahr von Flipper und Fury, eine Maschine. Man hat das vielleicht nicht so intendiert, aber in ROBOCOP 3 erfahren wir sehr genau, dass für eine denkbare Gesellschaft eine defekte Maschine anrührender ist als ein toter Mensch.
„I want to be a machine“, sang John Foxx, als er noch in einer Gruppe war, die sich, lange vor Grunge und Kurt Cobains paradigmatischem Tod als „Generation X“ bezeichnete. Von dieser Sehnsucht handeln Filme wie ROBOCOP 3, von einer neuen Symbiose zwischen Kind und Maschine, von der Geborgenheit in Datennetzen und der Mütter- und Väterlichkeit der Maschinen, vom Grauen der Wirklichkeit und vom Verrat des Menschlichen. Aber sie handeln, das ist das Teuflische daran, auch von Menschen, die nur durch Ideologie überleben, die sich gleichsam nur für ihre ideologische Neuerfindung opfern müssen, und sie handeln davon, wie das Gut-Böse-Schema selbst schon maschinell erzeugt wird.
Feindbilder werden seriell geschaffen; die guten Leute aus den Armenvierteln und ihre guten Polizisten rehabilitieren sich durch das von außen kommende Böse. Die brutale Militärmaschine im Dienste japanischer Usurpation trägt deutliche Züge des deutschen Faschismus: Ihre Anführer erscheinen wie aus dem Bilderbuch der Nazi-Schergen, und die Räumung der Stadt erinnert fatal an die Räumung des Gettos in Spielbergs SCHINDLERS LISTE. Übermalungen und Verwerfungen bestimmen ein Angst-Bild, das selbst nicht weiß, wie ernst es gemeint sein soll. ROBOCOP 3 wirkt wie verfilmter Datenschrott aus den Netzwerken des universalen Bilderflusses.
Autor: Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in: epd film
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