Wenn ich etwa anderes will, muss ich den Film nicht mehr stoppen. Ich mache ihn stattdessen erstmal nur ein bisschen kaputt, besser gesagt: ich ändere sein Bild. Während auf DVD der Weg ins Menü das (vorläufige) Ende des Films ist, können sich auf Blu-ray Pop-up-Menüs über Teile des Bildes legen. Das beginnt gern am unteren Rand des Bildes wie eine kleine Steuerungskonsole, die sich dann allerdings mit einem Fernbedienungsklick in z.B. „Languages“ ruckzuck über 80 Prozent des Bildes legt. In Fan-Foren besonders umstritten sind die Menüs auf Disneys Ratatouille und Pirates of the Caribbean: At World’s End, die das Filmbild auf einen Bruchteil der Monitorgröße zusammenschnurren lassen.
Sich darüber jedoch als Connaisseur des Originals auf DVD und Blu-ray, als Retter des Films zu echauffieren, ist etwas sinnlos. Denn mit diesem Feature wird nur zugespitzt, was seit über zehn Jahren ein Kernversprechen und -gestus der DVD ist. Die Disc macht das, was wir als Film bezeichnen, zu einer verhandelbaren Größe, deren Erscheinungsbild – von Ton und Sprache, über Untertitel und( re-)integrierte Szenen bis zum Ablauf und Format – wir in präzise programmierten Grenzen mitzubestimmen aufgefordert sind. „Der Film“ auf DVD und Blu-ray soll uns immer schon mindestens beides sein: das auratische Original (der „Director’s Cut“, „endlich vollständig“, „in Kinoqualität“ usw.) und eben ein Bausatz für Versionen. Letzteres bringt das Klingelwort der Digitalizität zum Dröhnen: Interaktivität.
Während das seit jeher technologisch rückschrittliche DVD-Format fast nichts anderes als eben Menüs zu bieten hatte, um dem Interaktivitäts-Hype zu huldigen (darum oft mit so opulenten Animationen), hat die Blu-ray das dank größerer Speicher- und Programmieroptionen nicht mehr nötig. Ihre Pop-up-Menüs sind offensichtlicher schlicht Selektionshilfen. Damit, wenn man das so sagen kann, formuliert Blu-ray noch unverstellter, dass sich auch der Filmgenuss zum gegenwärtigen Diktat der Flexibilität verhalten muss. Mit uns ist auch der Film zur Flexibilität angehalten, was gerade deshalb so gut klappt, weil Film schon immer wandelbar gewesen ist. Nun nur etwas anders: Auf Blu-ray erfüllt sich der Anspruch zum Wandel, in dem unser Verfügen über laufende Filme noch sachlicher im Zugriffsmodus geschehen kann.
Text: Jan Distelmeyer
zuerst erschienen in cargo
- Krisenfest – Zu Untergangsvisionen im Film und der Finanzkrise - 16. November 2013
- Filmverfügungen (Blu-ray) - 4. Dezember 2010
- Im Schatten (Thomas Arslan) - 4. Oktober 2010
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