Sind Sie ein Mann? Haben Sie einen Computer, den Ihre Frau gelegentlich nutzt? Besteht die Möglichkeit, dass Ihre E-Mail-Adresse auf meinem Computer gespeichert ist? Dann sollten Sie diese Geschichte unbedingt lesen. Kann sein, sie wäre der Atmosphäre im Hause dienlich.
Nämlich. Vor einigen Wochen bekam ich elektronische Post von einem Kollegen aus Berlin, wir korrespondieren gelegentlich. Diese Mail indessen fand ich etwas irritierend. Sie war leer, bis auf diesen Link. Und der führte zu einer Seite, die Viagra anbietet. Hä? Ich war nun schon verwirrt. Wie kommt der darauf? Der kennt die doch gar nicht und außerdem, aber das gehört nicht hierher. Also, dachte ich, sei das wohl ein sogenannter Herrenwitz, obgleich das nicht seine Art ist. Kurz darauf kam wieder so ein Ding. Und wenig später eine Mail ohne Link, dafür mit Text. So und so, jemand verschicke merkwürdige Mails unter seinem Namen. Ach so.
So. Und jetzt schickte eine Dame, als ich ihr etwas vollkommen Unanstößiges schickte, eine irritierende Frage zurück: Ob das wieder so etwas Merkwürdiges sein solle, sie habe ja schon zwei Sendungen merkwürdigen, um nicht zu sagen: pikanten Inhaltes von mir erhalten. Da mir die Meinung dieser Dame über mich und Schweinskram nicht gleichgültig ist, erbat ich dringlich Aufklärung. Genau: Sie hatte zwei leere Mails von mir erhalten, nur einen Link, und der führte, Sie wissen schon.
Es ist wohl ein Virus. Der wühlt sich in das Adressbuch des jeweiligen Computers und bedient sich nach Herzenslust. Nur durch die erwähnte Dame, wir haben einige gemeinsame Bekannte, erfuhr ich die Namen anderer Menschen, die diesen Infobrief auch bekommen haben in meinem Namen.
Meine Schwester zum Beispiel. Ja, sagt sie, daraufhin befragt, das sei so, sie habe den Kram gelesen und gelöscht, schließlich sei ihr klar gewesen, dass ich das nicht war. Natürlich wusste sie, dass ihr Bruder nie Derartiges empfehlen würde, schließlich kommen die beiden Damen sehr gut ohne Viagra und Viagra-Nutzer zurecht. In jeder Hinsicht. Und der Gedanke an das, was wir hier einmal mit Brecht den V-Effekt nennen, es aber anders meinen wollen, der Gedanke also an die Folgen solcher Medikation gilt ihnen als wenig wünschenswert.
Schön und gut also und eine böse Falle. Denn hätte ich der erwähnten Dame nicht eine Nachricht geschickt, die diese zur Gegenfrage veranlasste, ich hätte nie erfahren, dass ich dabei war, den Ruf eines nebenberuflichen Viagra-Händlers zu erwerben.
Ob das, frage ich mich, nun doch ein wenig um meinen guten Ruf besorgt, dem nämlichen Prinzip geschuldet ist, nach dem man mit anderen Menschen ungern das Gespräch über ihren Mundgeruch sucht?
Es war wohl eher das Gefühl der Nichtigkeit. Das Risiko lag allerdings, was meine Schwester nicht wusste, zu gleichen Teilen bei ihr. Denn auch von ihrem Computer aus, der noch dazu die Dienstmaschine eines Verlages ist, könnten nun Dutzende Infobriefe für mehr Freude verschickt worden sein. Geschäftspartner wären womöglich etwas irritiert über diese Erweiterung des verlegerischen Kerngeschäftes, Bekannte würden heftig grinsen.
Und Sie, lieber Leser? Haben Sie sich schon gefragt, ob getidan.de und deren Redaktion zum Direktmarketing übergegangen ist? Hat Ihre Frau Gemahlin Unrat gewittert, betreffend den pharmazeutischen Umstand? Falls Sie so eine Post bekamen, dann sollten Sie nicht erstaunt sein, wenn einige Bekannte jetzt so merkwürdig lächeln. Aber vielleicht, nachdem wir nun rehabilitiert sind, sollten wir Jungs uns diesen Link aufheben. Irgendwann könnte er von Nutzen sein. Und der Atmosphäre im Hause dienlich.
Text: Henryk Goldberg
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