Von der Hoffnung

Pedro Almodòvars Film über die Kraft des Irrationalen

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Benigno erzählt Alicia einen Film. Benigno weiß nicht, was dieser Film für sein weiteres Leben bedeuten wird und auch Alicia weiß es nicht, denn sie liegt seit vier Jahren im Koma. Benigno, der ihr Pfleger ist, liebt die Tänzerin, und er glaubt nicht daran, dass sie nur eine vegetative Existenz führt. Der Film, den er ihr erzählt, wird diese Existenz ändern. Dieser Film ist so naiv, so lauter Pappe und Pose, als hätte ihn Ed Wood gedreht. Doch es war Pedro Almodòvar, und so ist es ein anderer Film. „Sprich mit ihr“ ist weniger schrill als die vorherigen Arbeiten des Spaniers. Es liegt womöglich daran, dass die Frauen hier wesentlich eingefrorene Objekte sind und die Männer zurückgeworfen auf ihre Bemühungen um sie. „Das Gehirn der Frau ist ein Mysterium“ sagt Marco und Aldomòvar erzählt von der Hoffnung, an diesem erlösenden Mysterium Teil zu haben. Zwei Männer sitzen im Theater, so beginnt es, und sehen eine Choreografie von Pina Bausch. Einer von ihnen weint, Marco, der Journalist. Benigno, der Pfleger, wird am kommenden Tag Alicia, die nicht hören kann, von diesem Abend erzählen und von diesem Mann. Der lernt die Stierkämpferin Lydia kennen. „Wir müssen reden“ sagt die Frau, die hören kann, zu ihrem Liebhaber, aber der sagt nur „später“. Dann wird Lydia von einem Stier zerfleischt. Im Krankenhaus lernt Marco Benigno kennen, zwei Männer mit ihren Frauen, die beide im Koma liegen. „Alicia, das ist Marco, von dem ich dir erzählt habe“. Benigno lebt die Beziehung zu der untoten Tänzerin als Realität. „Habt ihr euch getrennt?“ fragt er Marco, da ist dessen Geliebte schon seit langem ohne Bewusstsein. Benigno trennt sich nicht. Der Stummfilm, den er Alicia erzählt, handelt von einem Liebhaber, der zum Däumling geschrumpft ist, ein winziger Mann, so weltenweit seiner Geliebten unterlegen wie Benigno seiner Alicia. Der Däumling erwandert unerschrocken die Landschaft der Frau. Schließlich gelangt er in den Canon ihrer Beine. Und geht, aufrecht, und ein wenig ängstlich, ein in seine Geliebte. Sie lächelt leise im Schlaf. Er wird nie wiederkehren. Und Alicia wird schwanger. Dem Pfleger wird das, was in den Augen der Übrigen als ein Vergehen gelten muss, die Freiheit kosten, Alicia aber wird erwachen. Benigno hat sich geopfert für sie. Und eine neue Geschichte beginnt, eine Geschichte wie die meisten Geschichten von Almodòvar: Man kann sie im Grunde nicht erzählen. Ohne das Flirren der Bilder, ohne den Zauber des Kinos geraten sie zur Trivialität. Am Ende wird Marco, der nie zu seiner bewusstlosen Geliebten sprach, zu einem Toten sprechen. Das ist die Hoffnung. Die, es sei etwas Irrationales in der Welt, das sie menschlich macht.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben: 2002

Text: veröffentlicht in FILMSPIEGEL

Bild: Universum Film