Auch kleine Fische können beißen. Aber hallo! Piranhas zum Beispiel, Vertreter der Unterspezies der Sägesalmler (Serrasaminae); insbesondere Serrasalmus brandtii und Serrasalamus spilopereura haben, was das schmerzhafte Anfressen von Mensch und Tier anbelangt, einen ganz schlechten Ruf. Aber wie bei den großen Haien geht es auch bei den kleinen Piranhas weniger um die reale Gefahr als um das Aussehen (echt fies!) und um die Art des Angriffs: Der Piranha lauert erst unbeweglich, schießt dann pfeilschnell auf seine Beute zu und reißt ihr ein Stück Fleisch mit einer Rüttelbewegung aus dem Körper, um sich dann wieder zu entfernen und in der Entfernung vom Beutetier zu schlucken. Dann kommt der nächste Angriff. Kannibalen sind Piranhas auch noch; wenn so ein Piranha-Schwarm mal beim Attackieren und Fressen ist… Geborene Kino-Schurken eben, die einem schon mal eine Badesaison verleiden können, wenn gerade kein weißer Hai unterwegs ist.
Im klassischen Abenteuerfilm waren Piranhas ein wohlfeiles Mittel, die Gefährlichkeit südamerikanischer Gewässer zu demonstrieren. Im allgemeinen blieben die gefräßigen Biester dabei unsichtbar. Das Wasser kräuselte sich, der Fluss färbte sich dunkel und die Heldin schrie. Nur das Marsupilami, Tintins hedonistisches Wundertier, drehte den Spieß um und fraß seinerseits die Piranhas, aber das ist eine andere Geschichte.
Spätestens Ende der siebziger Jahre gab man sich mit so was nicht mehr zufrieden. Es war die große Zeit des Katastrophenfilms im allgemeinen, der überschrittenen Ekelgrenzen und des Tierhorrorfilms im besonderen. Die Menschen halten sich nicht an die Spielregeln, und die Natur schlägt zurück. Geschäftsleute vertuschen die Gefahren, Wissenschaftler sind verrückt, und alles, was in der Tierwelt Zähne hat, stürzt sich auf Touristen, Politiker und Ehebrecher. Und im Wasser war alles noch viel schlimmer und schöner. Natürlich kam’s auf die Größe an. Haie, Killerwale, Tintenfische und Aligatoren – alles durch Genmanipulationen, Umweltverschmutzung oder sonstige kriminelle Eingriffe übergroß geworden. Piranhas waren also schon in Gestalt und Größe besonders zynische und obszöne Modelle im Genre.
Kein Wunder, dass die kleinen sägezahnigen Biester dem Regisseur Joe Dante gerade recht kamen, um zugleich eine vergnügliche Parodie auf Steven Spielbergs „Jaws“ zu drehen und dem Militär eins reinzuwürgen: In seinem Debüt „Piranhas“ aus dem Jahr 1978 geht es um einen Schwarm von mutierten Salmlern, die vom militärisch-wissenschaftlichen Komplex für den Kriegseinsatz in echte Monster verwandelt wurden. Nachdem sie den Laboratorien entkommen sind, und zuschlagen, wo immer nackte Menschenhaut sich im Wasser zeigt, müssen Held mit Alkoholproblem und Detektiv-Heldin zusammenstehen, gegen ignorante und korrupte Zeitgenossen natürlich, um nach hohem Blutzoll die Gefahr zu bannen. Vorläufig. Der Drehbuchautor John Sayles, der immer wieder zwischen eigenen ambitionierten Filmen solide Genre-Arbeit abliefert, hat sich hier ziemlich ergiebig ausgetobt, und der Regisseur Dante bekommt die Mischung aus Thrill, Satire, Gesellschaftskritik und Anspielungen auf die wundervolle Welt des B-Horrorfilms prächtig hin: Steven Spielbergs kleiner, böser und intelligenter Bruder war auf dem Weg. Und weil auch die Special Effects bei geringem Budget stimmen (wir sehen sowohl echte als ferngesteuerte Piranhas), weil die Musik von Pino Donaggio im Ohr bleibt und weil es nebenbei noch ein Wiedersehen mit Kevin McCarthy und Barbara Steele gibt, ist „Piranhas“ ein Klassiker des aquatischen Tierhorrors. Und ein Triumph für die Talentschule des Produzenten Roger Corman und die deutschen Werbetexter: „Blutgierige hässliche Mörderfische jagen unschuldige Menschen und Kinder und umgekehrt“.
James Cameron, dessen Arbeit man damals noch nicht ansah, dass er mal die erfolgreichsten Filme der Welt drehen würde (sehen wir einmal von einer Vorliebe für das nasse Element ab), zeigte in seinem drei Jahre später entstandenen Sequel „Piranha II – The Spawning“ (wieder schrieb Sayles das Drehbuch) nicht ganz so viel Humor. Aber es hat Suspense, es hat Lance Henriksen und es hat Salmler, die nun, vorgesehen als „Killerfisch“ in Vietnam, auch noch das Fliegen gelernt haben, unangenehm zwitschernd, nebenbei.
1995 wurde „Piranha“ (Die Rückkehr der Piranhas – Regie: Scott P. Levy) als Kabelfernseh-Poduktion nachgeschoben, und wieder schrieb John Sayles am Drehbuch für das mehr oder weniger Remake der Roger Corman-Produktion. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Regierung das Interesse an Killerfischen, die sich sowohl im Süß- wie im Salzwasser bewegen können, sich mit ungeheurer Geschwindigkeit vermehren und fressen, was ihnen vor die Sägezähne kommt. Die Wissenschaftlerin Dr. Baines führt deswegen die Experimente alleine weiter, und eines Tage gerät ein junges Paar beim nächtlichen Baden, na Sie kennen das ja.
Wem die drei Piranha-Filme nicht genügen, der kann sich zwischendurch am „Frankenfish“ von Mark Dippé erfreuen, der in den schönen Sumpflandschaften der Südstaaten und zwischen malerischen Hausbooten sein übles Wesen treibt. Diesmal handelt es sich nicht um Salmler, sondern um genmanipulierte „Schlangenkopffische“ (Channidae, aus der Ordnung der Perciformes, der „barschartigen“ Fische), also sind die Monster etwas größer. Aber sonst ändert sich nicht viel.
Wenn Sie mich fragen: Ein Schlangenkopffisch sieht nicht halb so fies aus wie ein Piranha. Demnächst gibt es deshalb im Kino und in 3-D mit Computergenerierten Beißfischen das nächste Remake, und wieder kommen sie unausweichlich, die Worte, auf die wir alle warten: „ Arrrgh! Something has bitten me!“
Text: Georg Seeßlen
Bilder: Frankenfish (2), Piranha II – Fliegende Killer (1)
(Columbia Tristar Home Entertainment)
DVDs:
PIRANHAS, 1978 (MGM Home Entertainment)
PIRANHA II: THE SPAWNING (Piranha II – Fliegende Killer), 1981 (Columbia Tristar Home Entertainment)
DIE RÜCKKEHR DER PIRANHAS, 1995 (Screen Power)
FRANKENFISH 2004 (Columbia Tristar Home Entertainment)
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