Die Ausstellung „Sieben Hügel“ im Berliner Gropius-Bau

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Das Museum ist der schönste und schrecklichste Ort der bürgerlichen Kultur. Hier wird aufgehoben und ermordet, geraubt und verstanden, aufgeklärt und gelogen. Das Museum verwandelt Geschichte in Ästhetik, Ästhetik in Ideologie, Ideologie in Familienglück. Die Legende geht, dass das bürgerliche Museum irgendwann selbst gemerkt hat, dass etwas mit ihm nicht stimmt. So erfand man so furchtbare Dinge wie „Museumspädagogik“ oder den „Ausstellungsevent“. Ich persönlich glaube nicht an diese Legende. Ich stelle mir vielmehr vor, dass man in den Museen gemerkt hat, dass die meisten Menschen nicht mehr kommen, um sich in den Beutekammern von Kapitalismus und Kolonialismus die Erkenntnis der Welt und ihre Ordnung vormachen zu lassen, sondern um des Alptraumes willen, der hinter den Exponaten und Vitrinen steckt, wegen der Geister, die sich ja, wenn etwas so augenscheinlich „gezeigt“ werden soll, aus den Bildern bewegen müssen. War das nicht unser Lieblingsspiel: den besten Dreh zu finden, um die Ordnung, die man sich im Museum herzustellen bemüht, im lustvollen Chaos versinken zu lassen? Alles was das „moderne Museum“ verabscheut, diese strengen kubischen Räume, die serielle Sauberkeit des Ausgestellten und seine sinnlose Überfülle, dieses manische Trachten nach Vollständigkeit und Genauigkeit, war eigentliche Tugend dieser bürgerlichen Schlüsselinstanz. Ein Museum ist, wenn man es nur mit dem richtigen Blick betritt, nichts anderes als die äußere Dingwelt eines Horrorfilms. Man hat die Dinge aus einem Leben fortgenommen, ihrer Geschichte entzweit, des Gebrauchs beraubt, und nun schreien sie nach dem Blut der Täter, greifen sich aber gern schon einmal das Hirn eines unschuldigen Besuchers, wenn es denn unschuldige Besucher im Museum gibt.

Dieses Museum der schönen Alpträume, in dem die Dinge und die Besucher sich selbst überlassen bleiben, gibt es nicht mehr so häufig. Was nach dem bürgerlichen Museum kam, die Ausstellung als Event allemal, das selbstreferentielle Museum andernorts (die Museen der Musealisierung, sozusagen), versucht erst einmal seinen Raum aufzubrechen und sich dramaturgisch zu dynamisieren. Die Gespensterjagd, die im alten Museum noch möglich war, ist nun gleich mit ausgestellt, mein kleiner Spaß, die Dinge auch anders zu sehen, ist mir genommen, denn nun sagt jedes Exponat, jede Legende: Du musst die Dinge anders sehen! Was krank ist, zeitgemäß krank an der Verwandlung des Museums in den Ausstellungsevent zeigt die „Jahrhundert-Ausstellung“ im Berliner Martin Gropius-Bau, schon in ihrem Titel, „Sieben Hügel“ garantiert nicht bescheiden, ein neues virtuelles Rom, eine Weltmacht positiver Wissenschaft und Ästhetik signalisierend, die wahre „Weltausstellung“ und im Gegensatz zu dem Hannoveraner Fiasko wenngleich etwas mürrisch in den Feuilletons kritisiert, vom Publikum angenommen: bescheidener in den Dimensionen und zugleich umfassender im Anspruch.

Die „Sieben Hügel“ sind zugleich ein rhetorisches Gebilde, das uns nicht weniger als die Sinnfrage am Beginn des 21. Jahrhunderts beantwortet, in einer Art von ironischem Enzyklopädismus, für das man hundertundeins Metaphern gefunden hat: zum Projekt der Ganzheit und Vollständigkeit werden wir nicht mehr zurückkehren können, weder im Glauben noch im Träumen, weder im Wissen noch im Kostruieren, aber das Fragmentarische soll nicht zum Widersprüchlichen führen, es ist nur Praxis eines großen und ganzen, das den ganzen Ballast von Zweifel, Angst und Kritik über Bord wirft: eben nicht Science Fiction (denn die phantasiert ja nur von den Katastrophen und macht Angst vor der Zukunft) sondern maßvoll positives Denken für eine Zukunft, die sich auf möglichst breiter Basis entwickeln soll.

Das ganze Projekt also ist eine ziemlich gewaltige Konsensmaschine, und was der Kritik an Fehlendem und Verdrängten auffiel, nur zum Beispiel, dass die Maschinen der Zivilisation nicht in Zusammenhang mit ihrer faschistischen Praxis gezeigt werden, dass überhaupt jedes Ding oder Unding zwar auf Nutzen und Zukunft, fast nie aber auf seine Geschichte hin befragt wird, dass es einen Terror der Offensichtlichkeit gibt, die einem um so mehr sich aufdrängt, je mehr man vom zugleich grandiosen und albernen Entree im „Kern“ in die Peripheren von Glauben, Wissen, Träumen geschleudert wird, das alles ist viel weniger „Fehler“ als Programm. Hier sollen alle, alt und jung, klug und dumm, kritisch und affirmativ, auf ein neues bürgerliches Projekt eingeschworen werden, in netter Form, ein bisschen spielerisch, ein bisschen künstlerisch, ein bisschen sachlich, und dass man beständig an Jules Verne denken muss und seine unterhaltsamen Visionen für den progressistischen Teil des Bürgertums seiner Zeit, ist auch kein Zufall; dass der Mensch einer ist, der zugleich mit Neutrinos, mit Gen-Modellen, mit Voodoo-Puppen und mit Worten spielt, und für den es nicht ausgemacht ist, dass Fortschritt immer nur in eine Richtung geht, steht hier so fest wie dass es eine neue Gründerzeit jenseits der neoliberalen Eruption geben wird, die sich aus einer eigenwilligen Projektion des Meta-Konsenses ergibt: Religion, Wissenschaft, Kunst, Technik, Logik, Bewusstsein, Traum und Phantasie, all das soll nun nicht mehr im Widerspruch zueinander stehen, es genügt nicht einmal das Nebeneinander, vielmehr geht es um ein Miteinander. Hier empfindet man es als glückliche Harmonie, wenn in Indien ein Atomkraftwerk und ein hinduistischer Sakralbau ikonographisch ineinander verschwimmen. Hier wird selbst aus dem Spaß, Roboterhunde gegeneinander Fußball spielen zu sehen, ein Übermalungsprojekt, hier will jeder Raum mitsamt seinen Dingen wieder organischer Körper werden.

Auf den ersten Blick vielleicht ist die Ausstellung „Sieben Hügel“ ein durchaus menschenfreundliches Unterfangen, Wissenschaft und Kunst miteinander in Beziehung zu bringen, den Stand des Wissens möglichst populär vermitteln und als großes Meta-Projekt so etwas wie ein Vertrauen in die Zukunft herzustellen. Warum auch nicht, könnte man meinen, wenn’s uns dann besser geht. Auch dass die „wissenschaftlichen“ Legenden und die Katalogbeiträge zu dieser Ausstellung von einer geradezu herzzerreißenden Schlichtheit des Denkens sind, stört erst beim zweiten und dritten Hinschauen, nämlich dann, wenn man begreift, dass diese Ausstellung als Konsensmaschine nicht Grundlagen für den Dialog schafft, sondern diesen als Ideologie zu ersetzen trachtet.

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Man kommt also zuerst in den Lichthof, dessen Exponate als „Kern“ inszeniert sind. Wenn man sich sogleich wähnt, als sei man in die Kommando-Zentrale des Erzschurken eines James-Bond-Filmes geraten, ist das kein Wunder, denn der Raum wurde von deren Production Designer Ken Adam gestaltet. Der hoch geschätzte Künstler hat zum Gelingen dieser sozusagen halbfuturistischen Filme viel beigetragen, indem er in seinen Kulissen so etwas wie eine „Privatmythologie“ einbaute, in der es um eine Illusion von Übersicht und Kontrolle, um den Widerspruch des Technischen und des Organischen, und um eine spezielle Dramaturgie von Fluchtwegen, Kanälen und Wiedergeburtshöhlen geht. Der Ausstellungsraum funktioniert genau in dieser Weise (so dass es beinahe überflüssig ist, dass wir mit einer Wand-Projektion noch einmal an den James-Bond-Kosmos erinnert werden): das Zentrum ist eine mitten in den Raum gesetzte Weltkugel, in deren Inneres wir sehen können, es gibt die gewohnte Kampfarena (besagte Roboterhunde und ein anderes Working Machines-Spiel), es gibt den Versuch, den eckigen Raum beständig mit organischen Formen aufzulösen, und schließlich gibt es die Fluchtröhren und Zeitfallen (in einer lassen wir uns von Neutrinos durchschießen, in der anderen verlieren wir, ob sich drehender visueller Eindrücke, ziemlich nachhaltig das Gefühl für oben und unten. So schleudert uns die räumliche Dramaturgie förmlich nach außen (manchmal, ich weiß nicht wie intendiert dies ist, dass man buchstäblich draußen ist und sich, wenn man seine Eintrittskarte nicht verloren hat, noch einmal vom Eingang und vom Kern in die Neben- und Überräume werfen lassen muß). Was hier geschieht ist offenkundig ein sehr heftiger Dialog zwischen Technik und Kunst. Das wäre ebenso vergnüglich wie die Erkenntnis des Umstandes, dass der Kern der Welt (und der Welt-Anschauung) nichts anderes als ein begehbarer James Bond-Film ist, allerdings schleudert uns diese Dramaturgie nicht nur an etlichen warnenden Zeichen vorbei (die Serie von Selbstportraits eines Malers etwa, der nach einem Schlaganfall seine Persona erst langsam wieder erkennt), diese virtuelle Kernexplosion führt uns durch die Geburtskanäle in die Bereiche, in denen Ich und Welt verschmolzen sind. Vom Kern, das muss man sich erst einmal ausdenken, geraten wir sogleich in die Abteilung „Dschungel“. Der Weg zwischen Wissenschaft und Kunst führt dann in den „Weltraum“ (in dem mehr geträumt als gewusst wird) über die „Zivilisation“, worunter wir uns Städte und Maschinen vorstellen können und eine Gegenüberstellung einer Dampfmaschine und einer Vase mit Karl Marx-Portrait dieses und jenes zu sagen scheint, zum „Glauben“, von dort zum „Wissen“ und schließlich am Ende zum „Träumen“, und dort genauer gesagt als allerletztes zum Spielen. Natürlich könnte man diesen Weg gleich noch einmal gehen, und wenn man es tut, merkt man um so deutlicher, dass der Konsens dieser Dramaturgie eines siebenhügeligen Spielbergs weder auf ein aufklärerisches noch ein zivilisatorisches Projekt hinaus will.

Wenn von der, nun ja, Einfachheit der Legenden die Rede war, mag dies zunächst als eine Form des Entgegenkommens der wissenschaftlichen Elite in Richtung der gesellschaftlichen Mitte erscheinen. Aber wo, sagen wir, die Knoff Hoff-Schau im Fernsehen gleichsam aus einem wissenschaftlichen Olymp herunter das Sichtbare als kleines Wunder holt, ist die Sichtbarkeit hier das Programm, das buchstäblich am Kern der Sache ansetzt. Und tatsächlich lesen wir da: „Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert des Visuellen sein“. So dogmatisch wie es uns da anspringt, könnte es uns als furchtbarer Allgemeinplatz erscheinen, aber es ist die Voraussetzung für eine weitere Annahme, die dem Konzept der Ausstellung zugrunde liegt, und die nicht weniger dogmatisch verkündet wird, nämlich die „Zusammenschau“ von Kunst und Wissenschaft. Die Wissenschaft soll ihre „Bilderfeindlichkeit“ aufgeben und sich nicht allein ihrer „Visualisierungstechniken“ bedienen, sondern das Visuelle in sich einschreiben. Und die Kunst soll sich ihrer Wissenschaftsfeindlichkeit begeben. Diese Harmonie der beiden Sinnsysteme, die sich in den „Kunst- und Wunderkammern“ der Renaissance ebenso fand, wie in den Visionen des progressistischen Bürgertums in seiner „Gründerzeit“ träumt mehr noch von einer weiteren Einheit: „Vernunft und Gefühl als untrennbare Einheit.

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Die lustvolle Chaotisierung des Museums durch den Blick (des rebellischen Kindes) ist in einem Event wie diesem ungleich schwerer. Ihre Ideologie ist so elastisch, dass sie der Subversion gleichsam stets vorbeugt und nachgibt, natürlich spielt dabei auch eine Portion Selbstironie ihre Rolle; nicht bloß im „Weltraum“ verschwimmen die Grenzen zwischen dem Realen und der Fiktion, man kann hier auch ohne weiteres einen erfundenen Kult in den „Glauben“ platzieren (und nur wer nun aber auch gar nichts kapiert hat, protestiert gegen solche Frivolität gegenüber der „harten“ Wissenschaft). Nein, wenn man einen Einspruch gegen die fatale Harmoniesucht dieses Konzept der virtuellen Hauptstadt eines neuen Wissensreiches formulieren will, dann tut man am besten, ihre innere Widersprüchlichkeit selbst hervorzuholen. Ken Adam heißt es, habe im „Kern“ eine „grandiose Wissenslandschaft der Zukunft für den Lichthof des Martin Gropius-Bau“ entworfen, und ihn „in eine temporäre Kathedrale der Wissenschaft verwandelt“. Das Bild nun aber geht ganz gewiss nicht auf; wie alle seine Räume steht auch dieser kurz vor der Explosion, diese Kathedrale verwandelt unsere wissenschaftliche Neugier in ästhetisch-moralisches Empfinden, dem wir nur in den Dschungel entkommen können. Bei Ken Adams nämlich haben sich Kunst und Wissenschaft geweigert eins zu werden, und diesen Urknall gegen die ideologische Schöpfung können die sechs anderen Hügel nicht ungeschehen machen, auch wenn sie auf so schlichte Weise (Räume, die von Einzelteilen einer einst ganzen Kugel bestimmt werden, wie in der Sektion „Glaube“) die Sehnsucht des Fragments nach der Ganzheit vorbringen.

Wenn nur noch das Visuelle zählt (und der Text nur noch als Verständigungshilfe für einen Diskurs der Offensichtlichkeit dient) und zu diesem Zweck Wissenschaft und Kunst sich vereinen sollen, und zwar im selben Blick des miteinander verschmolzenen Renaissance-Fürsten und Gründerbürger, dann können beide Seiten, die ästhetische und die wissenschaftliche Reaktion auf die Welt, ihre Schnittstelle nur in der Ideologie finden. Verlangten sie vorher einander gegenseitig die verpasste Aufklärung ab, so sind sie nun gezwungen aneinander dumm zu werden. Und wenn es auch einige Exponate in dieser Ausstellung gibt, die sich ihren Eigensinn gegen das Meta-Kunstwerk der Ausstellung bewahren, so ist in den „Sieben Hügeln“ doch auch vieler Wissenschaft und vieler Kunst beim Dumm-Werden zuzusehen.

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Die „Jahrtausend-Ausstellung“ hat die Museen als ihre Materiallieferanten gleichsam „gecrackt“, nun aber nicht, um erstaunliche Zusammenhänge, bizarre Gleichzeitigkeiten und Widerspräche nachzuweisen, sondern um eine Einheit auf neuer Grundlage zu schaffen. Die „Wissenslandschaft“ und die „Kathedrale“ sind dafür gerade die richtigen unpassenden Bilder: so wie die Landschaft nur noch ein Erlebnispark sein kann (in dem alles, was erlebt werden kann, mehr vorgeschrieben ist als im Museum), so kann die Kathedrale des Wissens auch als temporäre nicht verleugnen, dass sie in erster Linie der Illusion dient. Die Schlichtheit der wissenschaftlichen Texte macht in diesem Zusammenhang Sinn. Sie handeln nämlich von der Imitation von Wissen und vom Fake-Denken. „Wissen wird im 21. Jahrhundert von grundlegender Bedeutung sein“. Sehr schlau! Aber da es nun auch visuelles und ästhetisches Wissen sein soll, wird es weder einen Bruch von „Wissen“ und Wissen-Spielen geben, noch einen Dialog zwischen Wissen und Macht. Weder als Teil der Inszenierung noch auch nur als begrifflicher Vorschlag kommt das Wort „Kritik“ in dieser Ausstellung vor. Mit ihrer radikalen Forderung nach der Einheit des Vielfältigen erklären die „Sieben Hügel“ der Postmoderne den Krieg; das gecrackte Museum wird auf den sieben Hügeln neu zusammengesetzt zum Weltbild der Neuen Mitte, die sich auf keine Widersprüche einlassen will. Sie möchte in ihren Wissenslandschaften spazieren gehen, ohne erschreckt zu werden; man stellt, das soll die Aufgabe der Kunst sein, neben den Visualisierungen ein paar moralische Mahnmale auf, die nicht weiter stören, und bastelt ansonsten an der Meta-Ideologie des nächsten Jahrtausends: die Dynamisierung des Wissens in einem Netz der Welt-Bilder. „Wissen ist die durch menschliches Vermögen geordnete und nach Bedeutung gefilterte Information“ – nur das Subjekt dieses Vermögens und der Träger dieser Bedeutung bleibt ungenannt.

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Einerseits ist dies wohl eine der ersten Ausstellungen, die das Internet imitiert (davon, dass es ständig zitiert wird, ganz abgesehen), andrerseits aber macht es zugleich auch das „richtige Ding“ zum Fetisch. Nur dass dieses Ding nicht mehr in Reih und Glied der „Sammlung“ liegt oder steht, sondern in einer theatralischen Inszenierung sein kleines Wunder verrichtet. Jeder Raum, ist daher nicht nur die Erinnerung, Darstellung, Imitation von Wissen, sondern seine Erzählung. Die Räume, die „Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts“ innerhalb der einzelnen Wissenshügel noch einmal strukturieren, sind Erzählungen dieses Wissens, die ältere, die mythische Form der Vermittlung legt sich um die jüngeren, die wissenschaftlichen und die ästhetischen (als feindliche Geschwister, wenn man so will). So ist das Wissen der Zukunft offensichtlich viel eher eine mythische Installation, eine Erzählung des Wissens, mit beinahe so vielen Autoren wie Zuhörern und -seherinnen. Nicht der „Selbsbedienungsladen“ von Wissen und Empfinden entsteht da, auch nicht die „Schule“, von der wir zu gut wissen, wie sie vor allem Wissen vernichtet, sondern ein allgemein verbindliches Programm. In der Abteilung „Wissen“ erfahren wir zum Beispiel: „Die Verbrechen, mit denen dieser planmäßige Völkermord an sechs Millionen europäischen Juden sowie anderen Kollektivopfern des Rassenwahns ausgeführt worden ist, sind als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, wie sie erstmalig von den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als schwerste und durch kein ‚gnädiges‘ Vergessen einzuschränkende Untaten definiert worden sind“. Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Nicht viel. Denn nicht nur in solchen Sätzen ahnen wir, um was es da geht, nämlich um eine Reorganisation des Wissens als verlässliche Grundlage dessen was man „anzusehen“ hat, was „definiert worden“ ist und so weiter. Man muss ein paar Schritte weiter gehen, hinaus aus dem Museum, um zu sehen, was in diesem Fall eben nicht Bild geworden ist (sieht man von Schrift-Resten ab), das System des Terrors der Gestapo-Gefängnisse.

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Die hilflose Sprache im visuellen Diskurs von Wissenschaft und Ästhetik ist, so scheint es, Teil des Programms. Er dient nur noch der Festschreibung und Sicherung, setzt ansonsten weder der Überwältigung noch der Infantilisierung etwas entgegen. Die Regentschaft von Allgemeinplatz und Trivialität ist beschlossene Sache, wenn den „Bildern und Zeichen“ kein anderer Diskurs abverlangt wird, als zu beweisen, dass die Zukunft eine Sache von Bildern und Zeichen sei. Oder um es in einem hübschen logischen Blackout von Heinz von Foerster zu sagen, nach dem sich die „Unentscheidbarkeit“ einer Frage daran zeige, „dass es zu dieser Frage so viele grundverschiedene Antworten gibt“. Die Produktion des Konsenses, um dies vom Kopf auf die Füße zu stellen, also macht demnach, indem ich die „grundverschiedenen Antworten“ auf einen Allgemeinplatz reduziere, aus einer unentscheidbaren eine entscheidbare Frage. Dann natürlich muss uns vor der Zukunft nicht bange sein.

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Spaß macht das ganze natürlich schon. Weil diese Konsensmaschine nämlich gar nicht funktioniert. Weil Wissenschaft und Kunst höchstens hier und da ein bisschen korrupt und dumm aneinander werden und im nächsten Augenblick wieder aufeinander losgehen. Und weil man in einer wissenschaftlichen Ausstellung schon immer gerne etwas von einem „lab-top“ erfahren wollte.

Autor: Georg Seesslen